LAURENT METTRAUX
Route Principale 160, CH-1791 Courtaman (Schweiz)
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CD - Aufnahme
I.
Chor (Gregor von Nazianz)
O Du, der Du über
allem bist
– wie sollte ich Dich anders nennen?
–
Welche Hymne kann
Dich loben?
Kein Wort kann Dein Wesen
ausdrücken.
Welcher Geist kann
Dich fassen?
Kein Wissen begreift Dich.
Einzig, bist Du unabbildbar;
Alles Gesagte ist von Dir
ausgegangen.
Einzig, bist Du unbegreiflich;
Alles Denkende ist von Dir
ausgegangen.
Alles Seiende preist Dich,
Die, die sprechen können wie die
Stummen.
Alles Seiende huldigt Dir,
Die denkenden Wesen wie die, die
nicht denken.
Die allumfassende
Sehnsucht, das Stöhnen aller Wesen
Strebt zu Dir.
Alles, was ist, betet zu Dir,
Und zu Dir lässt jedes Wesen, das
Dein Universum lesen kann,
eine Hymne der Stille aufsteigen.
Alles, was verweilt, verweilt in
Dir.
Du bist Anfang und Ende allen Seins.
Du bist einzig.
Du bist jeder und Du bist niemand.
Du bist nicht ein einzelnes Wesen,
Du bist nicht das Ganze.
Du besitzt alle Namen,
Wie sollte ich Dich nennen,
Dich, den Einzigen, den man nicht
benennen kann?
Hab’ Mitleid, o Du,
der Du über allem bist!
– wie sollte ich Dich anders nennen?
–
II. Alto solo (Rainer Maria Rilke, Auszüge aus dem
Gedicht „Schutzengel“ aus dem Buch der Bilder)
Du bist der Vogel, dessen Flügel
kamen,
wenn ich erwachte in der Nacht und
rief.
Nur mit den Armen rief ich, denn
dein Namen
ist wie ein Abgrund, tausend Nächte
tief.
Wie nenn ich dich?
Sieh, meine Lippen lahmen.
Du bist der Anfang, der sich groß
ergießt.
Du: der von Wundern redet wie vom
Wissen
und von den Menschen wie von
Melodien.
Du bist der Schatten, drin ich still
entschlief,
und jeden Traum ersinnt in mir dein
Samen.
Wie nenn ich dich?
Sieh, meine Lippen lahmen.
Befiehlst du, daß ich frage?
III.
Chor (z. T. nach einem Inkahymnus an Viracocha)
O Macht des
Erschaffenen!
Seist du männlich,
Seist du weiblich,
O Meister des Lebens,
wer immer du sein magst,
Herr des entstehenden Lichts,
Wo bist Du?
Du magst in der Höhe sein,
Du magst in der Tiefe sein,
Oder vielleicht ringsumher,
Mit deinem herrlichen Thron und
deinem Zepter!
Höre mich!
Vom unendlichen Himmel,
Wo Du vielleicht weilst,
Schöpfer der Welt,
Erschaffer aller Menschen,
Herrscher aller Herrscher,
Richte doch Deinen Blick auf mich!
Meine Augen
versagen mir
Wegen der Sehnsucht, Dich zu sehen,
Einzig wegen der Sehnsucht, Dich zu
erkennen.
Könnte ich dich doch bewundern,
Könnte ich dich doch kennen,
Könnte ich dich doch betrachten,
Könnte ich dich doch verstehen.
Wer bist du?
Wo bist du?
Was denkst du?
Sprich!
Antworte mir!
IV.
Alto solo (nach Ibn ul-Arabi und Angelus Silesius)
Niemand versteht Ihn, außer Er
selbst.
Niemand kennt Ihn, außer Er
selbst...
Er kennt sich durch Sich selbst...
Ein von Ihm Verschiedener kann Ihn
nicht verstehen.
Sein undurchdringlicher Schleier ist
Seine Existenz selbst.
Und zu Seinem Schleier aus Licht
führt kein Weg hin.
Wer nicht selbst Licht wird, wird
Ihn niemals in aller Ewigkeit erblicken können.
V. Bass solo (nach einem
Gebet von Guillaume de St-Thierry, einem Hymnus an Thot von Amenemone und zwei
Fragmenten, aus einem anonymen ägyptischen Text und von Synesios)
Herr,
Mein Herz ist voller Sehnsucht nach
Dir.
Ich suche Dein Antlitz
Ich suche Dein Gesicht,
mit Deiner Hilfe.
Wende Dich nicht von mir ab.
Herr, ich verweile
vor Dir
Wie ein Armer,
Wie ein Bettler,
Wie ein Blinder:
Während Du mich siehst,
kann ich Dich nicht sehen.
O Du, der Du das Wasser aus
entfernten Brunnen herbeibringst,
Komm und erfrische mich.
O Quelle der Sanftheit,
Komm zum Menschen, der dürstet in
der Wüste,
Du, der Du verborgen bist für den,
der sprechen kann
Und offenbar für den, der schweigt.
Es komme, der singt
Für Dich eine Hymne aus Schweigen,
Und er finde den Brunnen;
Es komme, der fiebert, und Du bist
unerreichbar.
Siehe Deinen Bittsteller, der sich
zu erheben versucht:
Erleuchte mich,
Breite meine Flügel aus,
Befreie mich von meinen Fesseln.
Könnte ich doch meinem Leib
entfliehen
Und aufsteigen zu Dir, der du die
Quelle meiner Seele bist.
Führe mich zurück zur Quelle, von
der ich stamme.
Gewähre mir, dass ich in Deinem
Licht vergehe.
VI. Soli und Chor
(altägyptischer Hymnus und Angelus Silesius)
Einzig ist der
Höchste
Der sich vor den Göttern und den Menschen
verhüllt,
entfernt vom Himmel
Abwesend von den Unterwelten.
Was man über Ihn
aussagt Den
Abschnitt hören (Ende Teil VI) : hier
klicken
Ist eher Unwahrheit
als Wahrheit,
Denn man
kann Ihn sich nur vorstellen
Nach den
Bildern des Geschaffenen.
Niemand
kennt Seine wahre Gestalt,
Falsch
sind die Darstellungen
Die man
sich von Ihm machen kann.
Gott ist ein lauter Nichts
Ihn rührt
kein Nun noch Hier
Je mehr du
nach Ihm greifst
Je mehr
entwird Er dir.
Er ist zu
geheimnisvoll, als daß Seine Hoheit enthüllt werden könnte,
zu groß,
um erforscht,
zu stark,
um erkannt zu werden...
Man kann
Ihn mit allen Namen nennen;
Man kann
Ihm wiederum nicht einen zuerkennen.
Aber Sein wahrer Name ist unaussprechlich
Und wer
ihn ausspräche, würde vernichtet.
VII. Chor (Hymne von Proklos)
Wie Dich
feiern,
O Du, der
Du über allem bist?
Mit
welchem Wort, unter welchem Namen?
Unbenennbarer,
Unbenannter;
Und doch
kommen von Dir
Die Worte,
die wir gebildet haben.
Unerkennbarer,
Unerkannter;
Alles, was
wir denken, ist doch Dein.
Alles
entstammt Dir,
Aber Du,
Du wirst nicht, Du bist...
Du bleibst
unbewegt,
Geborgen
durch Deine Klarheit.
Du bist
das Zentrum und der Anfang,
Du bist
das Ende und das Ziel,
Du bist
der Eine, und doch verschieden,
Und weder
verschieden noch eins.
Wie also
sollte man Dich nennen,
Du, der Du
das einzige Wesen bist,
Von dem
man nicht sprechen kann.
Welches
Wissen könnte Dich erreichen,
Jenseits
aller Bedingtheit,
Du, den
man nicht benennen kann,
Noch
eingrenzen, ohne sich zu vergehen.
VIII. Sopran solo (Angelus Silesius)
Wer Gott
ist, weiss man nicht.
Er ist
nicht Licht, nicht Geist,
Nicht
Wonnigkeit, nicht Eins,
Nicht was
man Gottheit heisst,
Nicht
Weisheit, nicht Verstand,
Nicht
Liebe, Wille, Güte.
Kein Ding,
kein Unding auch,
kein
Wesen, kein Gemüte,
Er ist was ich und du und keine Kreatur, Den
Abschnitt hören (Ende Teil VIII und Teil IX) : hier klicken
Eh wir geworden sind was Er ist, nie erfuhr.
IX. Tenor solo (z. T.
nachmystischen Gedichten von Tukaram)
Wie könnte
man Dein Geheimnisverstehen,
Du, der Du
ohne Begrenzung bist?
Wie könnte
man Dein Gesicht bewundern,
Du, der Du
ohne Beschränkung bist?
Verwandle
Dich, so daß ich Dich sehen kann,
In Deiner
ganzen Herrlichkeit und Pracht.
–
Diesseits der siebenstufigen Unterwelt erstreckst Du Dich,
Jenseits
des unermesslichen Himmels:
Meine
Mückenaugen, könnten sie Dich betrachten? –
Für mein höchstes Verlangen, zeige Dich doch
In den
Zügen eines schönen, verletzlichen Kindes.
Du wirst
die Gestalt annehmen, die die Deinen erhoffen, ich weiß es.
Tag und
Nacht wache ich, mit entzündeter Lampe.
Wie ein
Bettler vor dem Tor halte ich mich aufrecht und flehe Dich an.
Wie ein
Fisch an Land ersticke ich.
Wie ein
Kind, das sich im Wald verirrte, suche ich Dich weinend.
Deine
Abwesenheit, o mein Gott, hat das Land in eine Wüste verwandelt!
Lass’ mich
nicht umsonst nach Dir rufen: ich habe keinerlei Verdienst,
Ich
besitze nichts, ich fordere nichts, ich bitte nur um eine unverdiente Gabe.
Haben etwa meine Vergehen Deinen Zorn geweckt?
O Herr des
Schicksals,
Lass’
nicht das erdrückende Gewicht meiner Fehler auf mich zurückfallen:
Meine
zahllosen Versäumnisse, ich lege sie in Deine liebenden Hände.
Meine Seele liegt auf dem verlassenen Weg, mein Herz entbrennt vor
Ungeduld...
Wo verbirgst Du Dich?
Wen
tröstest Du in seinem Leiden?
Wäre dies
die Länge des Weges
Die Dein
Kommen verzögert?
Wo verbirgst Du Dich?
Wem bist
Du zu Hilfe geeilt?
Schläfst
Du, mein Gott?
Warum behältst Du Deine steinerne Verhüllung bei?
Was ist
los mit Dir in Deinem Himmel?
Wärst Du
etwa tot?
Ich bin
ein Waisenkind ohne Hoffnung!
Niemand,
der mich beschützt, keine Zuflucht.
Die Welt
macht mich Zittern,
Die Welt
verfolgt mich...
Weigerst
Du Dich, mich zu retten?
Warum
machst Du mich so bedauernswert,
Verachteter
als einen Bettler?
Warum
versagt Deine Hand bei mir?
Mein Herz errötet vor Scham, sich Deinen Verehrer zu nennen!
Ach,
bitterer Geschmack dieser Worte in meinem Mund!
Die alten
Weisen schämten sich wegen Dir:
Ich wollte
ihnen nicht glauben;
Nun weiß
ich, daß sie recht hatten.
Jetzt
kenne ich Deine wahre Natur:
Wie konnte
ich mich blind machen vor Deinem Wesen!
Ohne
Liebe, ohne Mitleid,
kleinlich,
zynisch, so bist Du!
Du
zerfleischst Deine eigenen Kinder,
Du läßt
sie leiden zu Deinem eigenen Vergnügen!
Du läßt
Dir Gewalt und Unrecht gefallen,
Du scheust
Dich nicht, den Unschuldigen zu strafen!
Du läßt uns auf Deine Güte hoffen
Um uns
besser täuschen und brechen zu können!
Deine Schöpfung ist ein Versuchsfeld
Um Deine
Geschöpfe zu foltern und zu martern!
X. Chor (Ausschnitt aus einem
Hymnus von Ibn ul-Arabi)
Geliebter,
So viele
Male habe Ich dich gerufen
Du hast
Mich nicht gehört!
So viele
Male habe Ich Mich dir gezeigt,
Du hast
Mich nicht gesehen!
So viele
Male habe ich Mich sanft verströmt,
Du hast es
nicht gespürt!
So viele
Male habe ich Mich in köstliche Speise verwandelt,
Du hast
nicht davon gekostet!
Weshalb kannst Du Mich nicht ertasten
Durch alle
die Dinge hindurch, die Du mit Händen greifst?
Weshalb
kannst Du mich nicht einatmen durch alle Gerüche hindurch?
Warum siehst du Mich nicht?
Warum
hörst du Mich nicht? Den
Abschnitt hören (Ende Teil X und Teil XI) : hier klicken
XI. Sopran solo (nach mystischen
Gedichten von Halladsch)
Welches Land wäre leer von Dir
Daß man
sich aufmacht, Dich im Himmel zu suchen?
Du siehst
die, die Dich anschauen,
Aber blind
wie sie sind, nehmen sie Dich nicht wahr.
Mit dem Auge des Wissens wies mein Blick
Auf das
reine Geheimnis meiner Versenkung.
Ein
unfaßbares Leuchten erschien in meinem Bewußtsein.
Ich teilte das aufgewühlte Meer meines Denkens
Und
durchquerte es wie ein Pfeil;
Mein Herz
flog mit den Federn meiner Erinnerung davon
Dem
entgegen, auf den ich seither, fragt man mich nach Ihm,
mit einem
Zeichen weise, aber benennen werde ich ihn nicht.
Mit diesem
Verstehen, eingraviert in mein Herz,
Verließ
mich die Erscheinung meines Egos
So sehr,
daß ich meinen Namen vergaß...
XII. Soli und Chor (Pushpadanta
zugeschrieben: an Shiva)
Das
Beschränkte wüßte nicht, das Unbeschränkte zu auszudrücken,
Selbst das
heilige Wort
Das den
Schein Deiner vielen Gestalten zerstört hat
Benennt
Dich mit Schaudern
Und
entstellt Dich, wenn es sich Dir nähert.
Wer kann Dich besingen?
Wer kann
um den Überfluß Deiner Natur wissen?
Wer kann
den Ort Deiner Anwesenheit beschreiten ?
Niemand.
Wessen
Denken,
Wessen
Reden
Versänke
nicht im Irrtum?
"Was ist Sein Wille?
Wessen ist
Er mächtig?
Hat Er
eine Gestalt?
Aus
welchem Urstoff läßt der Schöpfer die Welt hervorgehen?
Und zu
welchem Zweck?"
Welch schwankende und zwecklose Nachforschung
Über Deine
unergründliche Macht!
Menschen
von auseinandergefallenem Geist erregen sich
Und nähren
ihre Illusion immer wieder neu.
Gnostik,
Agnostizismus,
Monotheismus,
Polytheismus,
Atheismus,
Pantheismus,
So viele
Wege, die sich Dir zu nähern versuchen...
Man hält
einen für ideal,
Den
anderen für besser.
Je nach
ihren Voraussetzungen,
Nach ihren
Interessen oder Befürchtungen
Bevorzugen
die Menschen
Gewundene
oder gerade Wege.
XIII. Sopran solo (mystisches
Gedicht von Halladsch)
Du bist
es, der allein für mich von Belang ist.
Deine
Erwähnung fesselt mich nicht:
Sie ist
nichts als Einbildung und Mutmaßung
Die Dich
vor den Blicken jener verbirgt
Die ihre
Wahrnehmungen unter Geschwätz begraben.
XIV. Soli und Chor (Pushpadanta
zugeschrieben: an Shiva)
Die Worte
verhüllen Deine Natur.
Du bist
die Sonne, Du bist der Mond, Du bist der Wind,
Du bist
das Feuer,
Du bist
die Wasser, Du bist der Himmel, Du bist die Erde,
Du bist
die Seele der Welt...
Hier unten
wissen wir nicht, Was Du bist,
Aber wir
wissen,
Daß Du
Dies bist.
Du bist,
O
Segensspender
Zugleich
das Eine und das Viele!
In Dir grüße ich das Ganz-Nahe, Den
Abschnitt hören (Ende Teil XIV und Teil XV) : hier klicken
Du, der Du
die Allgegenwart bist,
Und ich
grüße das Weit-Entfernte!
In Dir grüße ich das Winzigste
Du, der Du
die Allmacht bist,
Und ich grüße
das Unermeßliche!
In Dir grüße
ich das Uralte,
Du, der Du
die Allwissenheit bist,
Und ich grüße
das Sehr-Junge!
In Dir grüße ich das Alles!
Und Dich, der
Du über allem bist,
Ich grüße Dich!
XV.
Soli und Chor (aus dem Tao te king von Lao-tse)
Den Gott, den man sich vorstellen kann
Ist nicht das
ewige Sein.
Den Namen,
den man ihm gibt
Ist nicht der
unwandelbare Name.
Ohne Namen
Ist der Ursprung
des Himmels und der Erde.
Namenbesitzen
Die Vielheiten
der Wesen.
Die Leere des Seins
Meditiert die
Wurzel aller Dinge.
Das Sein
Erwägt seine
Erscheinungen.
Beide sind
eins,
Nur durch ihre
Namen unterschieden.
Eines, das
unergründlich ist,
Ist das Geheimnis
der Geheimnisse,
Geheimes Tor
aller Mysterien.
Übersetzung : René Schurte